Als verantwortungsvoller Berater muss man seinen Kunden oft eine ganze Menge an Wünschen und Vorstellungen auszureden. Vieles was sich Otto Normalverbraucher so vorstellt ist eben nicht umsetzbar, hat beim zweiten Hinsehen erkennbare Nachteile oder ist einfach nutzlos.
So zum Beispiel der sogenannte Disclaimer
. Jeder hat so ein Ding und jeder will es haben. Solche Texte (oft auch Hanftungsausschlüsse
genennt) beziehen sich stets auf ein gewisses Urteil vom Landgericht Hamburg. Lässt man Google nach dem typischen Anfang dieses Textes suchen, findet man mehr als 2 Millionen Treffer. Im Disclaimer steht dann, man distanziere sich von allen auf andere Seiten führenden Links auf seiner Seite - Sonst würde dieses hamburger Urteil ja bedeuten, dass man möglicherweise für irgendeinen Link haftbar gemacht werden kann. In der Regel sehen diese Texte so oder ähnlich aus:
Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil vom 12.05.1998 entschieden, daß man durch die Ausbringung eines Links die Inhalte der gelinkten Seite ggf. mit zu verantworten hat. Dies kann nur dadurch verhindert werden, daß man sich ausdrücklich von diesen Inhalten distanziert. Ich erkläre an dieser Stelle ausdrücklich, daß ich keinerlei Einfluß auf die Gestaltung und die Inhalte der gelinkten Seiten habe. Deshalb distanziere ich mich hiermit ausdrücklich von allen Inhalten aller gelinkten Seiten auf meiner gesamten Website inkl. aller Unterseiten. Diese Erklärung gilt für alle auf meiner Homepage ausgebrachten Links und für alle Inhalte der Seiten, zu denen Links oder Banner führen.
Disclaimer sind Humbug!
Dass Disclaimer nicht viel taugen können diktiert allein schon die Logik. Man kann sich schließlich auch nicht von Diebstahl distanzieren
und danach straffrei den Aldi ausrauben.
Wen das nicht überzeugt, der sollte das angesprochene Urteil einmal lesen. Der im fraglichen Prozess Angeklagte wurde in der Tat mangels Distanzierung von gewissen Links zu einer saftigen Geldstrafe verurteilt. Obwohl er auf seiner Seite einen Disclaimer hatte!
Desweiteren habe er [der Angeklagte] durch Aufnahme einer Haftungsfreizeichnungsklausel klargestellt, daß er keinerlei Verantwortung übernehme.
Daraus lernen wir: Solche allgemein gehaltene Distanzierungsversuche
sind rechtlich wirkungslos. Wenn man sich nicht präzise von etwas Bestimmtem distanziert, sondern vor sich hinpauschalisiert (Ich distanziere mich von allem was ich eines Tages hier möglicherweise mal verlinken könnte
) und das ganze dann auch noch irgendwo auf irgendeiner Unterseite versteckt, erreicht man nichts.
Das Urteil unter der Lupe
Gegenstand des zum so oft zitierten Urteils gehörenden Prozesses war, dass der Angeklagte mit seiner Website die Persönlichkeitsrechte des Klägers verletzte. Zu diesem Zwecke hatte der Angeklagte gezielt diverse seinem Ziel dienliche Links auf seiner Seite untergebracht und wähnte sich durch den Disclaimer sicher.
Der Beklagte ließ, nachdem ein weiterer Rechtsstreit zwischen den Parteien vorangegangen war, auf seiner Internet-Homepage [...] Links auf im Internet vorhandene Informationen über den Kläger aufnehmen, so auf die Webpage [...]
Das Gericht stellte fest, dass eine solche allgemeine Distanzierung wirkungslos ist und dass allein eine exakte Distanzierung von den fraglichen Links irgendetwas hätte bewirken können. Theoretisch jedenfalls. Denn die für den Kläger ehrverletzenden Links konnten im Gesamtkontext gesehen und ob ihrer schieren Anzahl kein Fall von Ups, wie konnte das hier hingeraten
sein.
Somit ist der oft gesehene Disclaimer wirkungslos - und der Beweis dafür (das Urteil) wird ironischerweise immer im Disclaimer selbst erwähnt.
Aktuelle Rechtslage
Wie sieht es denn nun mit der Rechtslage rund um Links aus? Einfach gesagt: Dieses Problem ist nicht definiert. Gemäß § 9 Teledienstgesetz sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich
sofern der Anbieter die Übermittlung nicht veranlasst hat, den Adressaten der Information nicht ausgewählt hat und übermittelte Informationen nicht ausgewählt oder verändert hat. Gemäß § 8 ist ein Anbieter auch nicht zur andauernden Kontrolle der übermittelten Inhalte verpflichtet. Wenn man das auf Links übertragen würde, wäre man mit folgendem Vorgehen auf der sicheren Seite:
- Die zu verlinkende Seite einmal gründlich nach allem was Ärger machen könnte durchsuchen.
- Den Link setzen und ihn (z.B. per CSS) als auf einen auf eine externe Seite verweisenden Link auszeichnen.
- Zurücklehnen und in dem Moment den Link entfernen, in dem man davon erfährt, dass sich Inhalte in einer problematischen Art und Weise geändert haben - zur andauernden Kontrolle ist man nicht verpflichtet.
Problem bei der Sache: Das Teledienstgesetz gilt nicht für Links. Ein Beispiel: OLG München 21 U 1914/02. Die Leitsätze des Urteils gemäß www.kanzlei-prof-schweizer.de:
1. Wenn ein Link zu einer anderen Internetadresse gesetzt wird, geschieht dies mit dem Ziel, dem Leser einer Homepage weiterführende Informationen zukommen zu lassen, die aus Sicht der den Link setzenden Person sinnvoll erscheinen.
2. Der Linksetzer übernimmt mit seiner Verweisung eine Art Internet-Verkehrssicherungspflicht
. Der Linksetzer geht das Risiko ein, daß die Verweisungsseite später geändert wird.
Etwas aktueller ist ein Urteil vom Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg, in dem es heißt:
Die Haftung des Anbieters eines Hyperlinks fällt nach der dem TDG zugrunde liegenden Richtlinie 2000/31/EG nämlich nicht unter die §§ 8 -11 TDG (Spindler NJW 2002, 921, 924)
Würde das Teledienstgesetz Anwendung auf Links finden, wär's schön. Das ist aber leider nicht der Fall. Es kann prinzipiell Ärger drohen, wenn man sich den Inhalt einer verlinkten Seite zu eigen
macht, was immer das auch heißen mag. Reicht es, externe Links (wie auf meiner Seite) mit CSS als solche auszuzeichnen? Oder muss man sich von jedem einzelnen Link ausdrücklich distanzieren
?
Die einen Urteile sagen, durch das pure Setzen eines Links macht man sich Inhalte zu eigen
. Die anderen sagen, dass das nicht der Fall ist.
Es gab für das Teledienstgesetz einmal einen Änderungsantrag einer CDU/CSU-Politikerin, der die Lage von Hyperlinks geklärt hätte. Dort heißt es auf Seite 3:
Diensteanbieter sind für fremde Informationen, auf die sie zur leichteren Informationsfindung für den Nutzer verweisen (Hyperlinks) nicht verantwortlich, sofern
1. sie keine tatsächliche Kenntnis davon haben, dass der Hyperlink auf eine rechtswidrige Handlung oder Information verweist und ihnen im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen eine solche rechtswidrige Handlung oder Information offensichtlich wird, oder
2. sie unverzüglich tätig geworden sind, um den Hyperlink zu entfernen oder den Zugang zu ihm zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben und sofern ihnen die Sperrung technisch möglich und zumutbar ist.
Das wäre eine schöne, absolut umsetzbare Regelung, wie es sie neuerdings in ähnlicher Form auch für die Inhalte von Forenbeiträge gibt - Haftung erst ab Kenntnis. Schade dass der Änderungsantrag abgelehnt wurde.
Fazit
Die Rechtslage rund um Hyperlinks bleibt ungeklärt und jeder Seitenbetreiber im Internet ist damit theoretisch ein Straftäter. Denn von jeder mit einigen Links ausgestatten Seite kann man irgendwie auf etwas geraten, das Naziparolen verbreitet, Warez anbietet und die Persönlichkeitsrechte von irgendwem verletzt. Und wenn man tausend Klicks tätigen muss - ein Richter könnte theoretisch eintscheiden, dass man sich die Inhalte zu eigen
macht. Sollte es dazu kommen, hilft ein Disclaimer auch nicht weiter.