Was hatten wir im letzten Teil dieser Artikelserie für einen Spaß! Hatte ich doch, wie es ein Leser formulierte die heilige Kuh namens Photoshop umgefahren, indem ich GIMP als Alternative pries. Und dabei bleibe ich auch! Sich nach langjähriger Adobe-Abhängigkeit mit dem freien Grafikprogramm anzufreunden ist aber eine Herkulesaufgabe, nicht weniger. Den Willen und die Zeit dafür kann sicher auch nicht jedermann aufbringen. Macht aber nichts, denn Photoshop läuft unter Linux, genau wie viele andere Windows-Programme. Und dieser Artikel erklärt die Details zu den diversen Methoden.

Die gesamte Artikelserie:

  1. Was Linux ist und warum man sich dafür interessieren sollte
  2. Unverbindliches Ausprobieren
  3. Programme, Programme, Programme
  4. Photoshop und andere Windows-Anwendungen unter Linux
  5. Pimp my Linux
  6. Die Konsole ist dein Freund

Die Winekarte bitte

Der Königsweg für die Benutzung von Windows-Programmen unter Linux nennt sich Wine. Die Buchstabenfolge Wine steht für Wine Is Not an Emulator, womit schon mal geklärt wäre, was es nicht ist – ein Emulator. Vielmehr handelt es sich um einen Nachbau der Windows-API.

Die Funktionsweise von Wine kann man sich wie eine Übersetzertätigkeit vorstellen. Ein Programm fragt nach in Windows-Sprache nach etwas, Wine übersetzt das ganze in Linux-Sprache und leitet die Frage an das System weiter. Das System antwortet auf Linux, Wine übersetzt und das Windows-Programm bekommt eine verständliche Antwort. Der Fachnerd nennt sowas eine Laufzeitumgebung.

Wine in Aktion: Photoshop, eMule und Windows-Texteditor

Der Screenshot zeigt so unterschiedliche Anwendungen wie eMule, Adobes Photoshop und den guten alten Windows-Texteditor, die allesamt ohne Einschränkungen funktionieren. Allerdings ist zu sagen, dass mit Wine viele Windows-Programme und Linux funktionieren, nicht alle! 70 Prozent der Systemaufrufe von Windows soll Wine im Augenblick verstehen. Das klingt nach weniger als es ist, denn bei den restlichen 30% handelt es sich um Sonderfunktionen, die nur wenige Programme benötigen.

Die Application Database von Wine enthält eine Liste von mit Wine getesteten Windows-Anwendungen inklusive Testberichte und Tutorials. Diese Datenbank ist nicht vollständig – wenn ein Programm nicht enthalten ist, heißt das nicht automatisch, dass es nicht funktioniert, nur dass es noch niemand getestet und/oder in die Datenbank eingetragen hat. Ausprobieren ist angesagt.

Mini-Howto: Photoshop unter Ubuntu Linux installieren

Das Thema hatten wir im Blog schon mal, aber hier noch einmal die (unwesentlich) gekürzte Version:

  1. Wine installieren, indem folgender Befehl in ein Terminal getippt wird: sudo apt-get install wine
  2. Photoshop-CD einlegen, Setup ausführen (Doppelklick oder wine setup.exe)
  3. Wie gewohnt installieren. Das Programm findet man dann auf seiner virtuellen Festplatte c: unter /home/USERNAME/.wine/drive_c/
  4. Starten durch entweder das Startmenü, einen Doppelklick auf die .exe oder die Eingabe von wine Photoshop.exe
  5. Fertig!

Kompliziert ist etwas anderes. Einzige Einschränkung ist, dass Version CS3 nicht läuft – Details sind der AppDB zu entnehmen.

Virtuelle Maschinen

Wenn Wine ein Übersetzer ist, sind virtuelle Maschinen so etwas wie Aufschneider und Betrüger. Ein Programm wie VMWare, Virtual Box oder QEmu gaukelt einer eingelegten Windows-CD vor, es (das Programm) sei Hardware! Dabei fungiert eine große Datei als Festplatte und Schnittstellen zu den echten Geräten sind virtuelle Grafik- Sound- und Netzwerkkarten. Die Windows-CD kauft dem Programm die Scharade ab, lässt sich brav auf dem virtuellen Computer installieren und von da an wie ein normales Linuxprogramm im Fenster starten. Klingt abgefahren, klappt aber vorzüglich.

Windows mit Safari im Fenster

Alles was mit Wine nicht oder nicht gut läuft, lässt sich so letztendlich doch ins Linux holen – Safari zum Beispiel. Für uns Webschaffende geht so oder so kein Weg daran vorbei, in der einen oder anderen Form ein Windows-System an der Hand zu haben um zu testen. Und virtuelle Maschinen sind da die denkbar bequemste Variante. Empfohlener Lesestoff zum Thema sind die Wiki-Artikel von ubuntuusers.de.

Wie bei Wine gibt es auch hier einen Haken: Gefakte Hardware ist einfach nicht die echte. Wollte man versuchen, ein 3D-Spiel von Crysis-Kaliber in einer virtuellen Maschine zu spielen, bräuchte man eine gute Portion Humor und sehr viel Bastelei, die am Ende die Mühe nicht wert ist. Aber das macht nichts, denn …

Dualboot

… es spricht nichts dagegen, sich eine kleine NTFS-Partiton mit einer Windows-Installation einzurichten und bei Bedarf einfach von dieser zu booten. Das ist besonders für die angesprochenen Highend-Zocker unter uns interessant, denn fast alles andere kann man eigentlich sehr bequem mit den oben genannten Methoden abwickeln. Linux hat kein Problem damit, zweite Braut neben Windows zu sein – umgekehrt trifft das nur bedingt zu. Installiert man auf einer komplett leeren Festplatte erst Windows und dann z.B. Ubuntu Linux, stellt der Bootloader beim Hochfahren den Benutzer vor die Wahl, Linux oder zum Windows zu starten.

Dualboot Ubuntu/Windows

Installiert man erst Linux und dann Windows, hat man keine Auswahlmöglichkeit, weil der Windows-Bootloader eben etwas egoistischer ist. Das kann man entweder durch die richtige Installationsreihenfolge verhindern oder von Hand reparieren, aber davon abgesehen vertragen sich beide Systeme ganz ausgezeichnet. Linux kann sogar die NTFS-Partitionen von Windows verwenden!

Fazit und Ausblick

Wie man sieht bewahrheitet sich wieder die goldene Linux-Regel: Alles geht, wenn man es nur genug will. Und so kann man sich durch die neusten 3D-Welten ballern und trotzdem Linux benutzen – man muss nur eben zwischendurch neu starten. Und wenn es im Fall von uns Webnerds nur um Photoshop und Safari geht, kann man sich selbst das sparen, denn es gibt ja Wine und virtuelle Maschinen. So etwas wie Ich kann nicht Linux benutzen, ich bin auf Windows-Programm X angewiesen gibt es also wie wir gesehen haben nicht.

Teil 5 der Serie soll sich, so der Plan, mit ein paar Details befassen, die dem Neuling unter Linux die größten Schrecken einjagen: Programme kompilieren, das Terminal, die Verzeichnisstruktur des Systems und so weiter. Für Vorschläge (und natürlich auch für Beiträge zu diesem Artikel selbst) bin ich jederzeit empfänglich!